Gedichtband H
Alchemie der Dichtung
Wie leuchtend ist die Urnächtnis !
Du bist das große, ungeborene Licht.
Gewiß !
Wie prächtig geht die blaue Stunde unter !
Leere dein Gefäß in die dunkelnde Welt.
Nur munter !
Wie sanft entschlummert die grüne Erde !
Wache über den Stachel im knospenden Herzen.
Entwerde !
Wie fließt der Silbermond so helle !
Leere die Welt in dein funkelndes Gefäß.
Sei Welle !
Wie urleuchten die weisen Sterne !
Verjünge im Uralten dich.
Nah ist die Ferne !
Wie wogt das Flammenmeer des Morgenrots !
Geboren wird ein neuer Stern.
Gelob's !
Wie herrlich bricht die güldene Sonne auf.
Zum Abgrundtiefen schwinge dich hinab.
Hinauf!
An den Erleser
Erwache, o mondene Seele,
du knospendes Werden im blühenden Sein,
erwache, du Traumgezierde,
Spiegel der Erde, himmelhinein.
Silbernächte, purpurne Sonnen,
goldene Regen erströmen dich,
Sterne erfunkeln im tiefsten Dunkeln,
wissende Boten des Lichts.
Erwache, o schlummernde Seele,
du rosende Knospe im blumigen Dome des Seins,
flügelentfaltend zur verschmelzenden Sonne,
Himmel und Erde sind eins.
BETRACHTUNG
Schau in den See, der stillgeworden. Was siehst du ?
Mein Spiegelbild.
Schau hindurch.
Was siehst du ?
Eine Puppe, die lächelt.
Schau hindurch. Was siehst du ?
Ein Auge.Unendlich.
Schau hindurch. Was siehst du ? Einen Strahl.Golden.
Schau hindurch.
Was siehst du ?
Eine Muschel, die halbgeöffnet.
Schau hindurch.
Was siehst du ?
Eine Perle.Weißglänzend. Schau hindurch.
Was siehst du ?
Mein Spiegelbild !
Was siehst du ?
Eine Seerose auf dem See, der stillgeworden. Erkenne dich nun.
INRI
Über Feuerbogen wandelst unbegreiflich du, o Jesu.
Deine glänzende Woge suchte vergeblich kostbar' Land, o Jesu.
Durch die Sterne strömt dein heißes Blut, da kein Becher sich fand, o Jesu.
Dein Sonnenwort hat uns verletzt, verbrannt, o Jesu.
Kreuziget ihn !
MATERNOSTER
Mutter unsere,
die du bist in der Erde,
gepriesen sei dein Name,
dein Reichtum verschwende,
deine Flamme brenne wie in der Sonne,
also auch im Herzen der Erde.
Unseren täglichen Wein verschenk uns heute
und gib uns wieder unsere Unschuld,
auf daß wir Kinder werden
n den Armen deiner weiten Schöpfung.
Und führe uns nicht in die Finsternis,
sondern leuchte uns zu deinen Sternen,
denn dein ist die Gnade,
die Süße und die Seligkeit.
In Ewigkeit.
GESANG
Liebe ist ein großes Zeichen am Himmel.
Die Sterne sagen es besonders,
geheim wie sie sind,
und wenn der Tag die Nacht verführt,
ist der Himmel nur so von Geheimnissen übersät.
Ihr Leuchten sagt es,
ihr Funkeln süßt es
und wir, die so zaghaft deuten,
sehen sie nur wandern in goldenen Bahnen,
und unsere Augen werden irr.
Sterne, wundersam,
zehren sich auf im eigenen Licht
und folgen Rufen über lautlosen Meeren,
bis sie von unsichtbarer Hand gelöst
zurück in ihre Heimat fallen.
Noch einmal küßt dann ihr Schweif die Erde,
und ihre letzte Botschaft heißt Flamme,
denn Sterne sind schon lange tot
und leuchten nur aus Liebe.
Überall auf Erden grenzt Liebe an Wunder !
Und seht,
schon wenn zwei Liebende sich küssen
und den Raum erschließen,
der sie immerfort trennte,
ist's für uns unfaßlich,
denn Liebe ist ewig
und hier auf Erden nur ein kurzer Gast.
Doch lange Glück schenkte sie denen,
die kein Unnütz aus ihr machten
und nie gewillt waren,
sie zu fesseln im andern.
Denn Liebe ist auch frei,
und Freies gedeiht nur,
wenn es behütet wird von sanften Händen,
wie Blumen von Sonne und Wind.
Dann kommt auch bald der Regen
und schenkt heiliges Wasser den Blüten.
EPIPHANIEN
Verschneit ist die Sonne. Wie Feuer knistert der Schnee.
Finster ist das Kleid der Amsel. Doch der Schnabel und das Schwänzlein leuchten.
O hoch oben die weiten Sterne. Eiszapfende Ferne.
Stille zieht wie ein schwarzer Panther durch die weiße Wüste.
Schneegeflocke in der Abendglocke. Kristallenes Geläut.
O dreifache Wonne ! Die Erde schmolz in der Sonne.
DIANE
Alle Tiere lieben dich.
Sogar die Schlange schleckt nach dir die Zunge
und spricht dir lautere Wahrheiten zu.
Der Tiger hat schon lange seine Wildheit verloren,
liegt nun vor dir wie ein treuer Hund.
Blumen blühen dir zur Freude,
Bäume umschatten dich,
alles neigt sich zu dir
und lauscht deinen süßen, geheimen Worten.
O reiner Quell zu deinen Füßen!
Doch du streichelst so seltsam
das Fell des göttlichen Tigers
und blickst schweigsam, vielmehr wachsam
zu den grauen Städten hinüber,
wo schwarze, unheilvolle Wolken qualmen,
spannst die Sehne deines weiten Bogens,
bis sie plötzlich reißt
und beginnst leise,
kaum hörbar zu weinen.
O Diane,
du unschuldiger Engel,
auch du kennst Tod und Feinde ?
LICHT
Licht :
eine Wundertüte voll Blütenstaub im Schulranzen des Knaben Novalis.
Licht :
die heiße Fontäne einer blonden Trompete, zerstrahlend, zersprühend im Schweiße des Angesichts.
Licht :
das Erwachen besternter Frühlingsblumen, aufblühend, aufflatternd im zartesten Négligé.
Licht :
die verschütteten Perlen eines hellauflachenden Kindes,
übersprudelnd, überschäumend vor immer heller wallendem Licht !
MORGENS
Ein erster Strahl pfeilt in den jäherblauten Morgen.
Durchdringt in funkelnden Blitzen sein stählernes Gewand.
Schäfchenwölkchen schaukeln gen Osten rosig geküßt.
Erblühen unsichtbar.Erlöschen.
Kein Atem steigt. Kein Wind weht.
Tausende, abertausende Augen sich öffnen.
Süße Stimmen anheben.
Gesang der erwachten Vogelwelt.
Engel schweben voran.
Breiten die Arme dem Gott aus tausend Meeren.
Blonden Trompeten
Und plötzlich stürzt ein goldener Strom den Berg hinab,
die Erde bebt, die Erde lacht,
taufunkelnd ersprüht die erleuchtete Welt
und dromt und omt und trillt :
"Von blankem Licht erfüllt,
die Seele tausend Schauder fühlt !
Gegrüßt seist du, o Sonne,
du güldene wunderbare Sonne,
du unser aller Leben,
du unser aller Wonne,
du unser erster Tag !
Gegrüßt seist du, o Sonne,
uns wie am ersten Tag !"
ABENDS
Wie die Bäume brennen!
Meterhohe Flammen schlagen sie in den diamantenen Himmel
und bald sind sie nur noch ein bißchen Asche
und ein bißchen Glut und dann der Nacht geweiht !
Zulange hat mein Unstern an ihrer Pforte gekämpft,
zulange habe ich ihre Felsenfestung bestürmt
und versuche nun, die lästigen Fliegen abzuschütteln,
doch sie weichen nicht !
Tauche ich noch einmal in mich hinein
und dann ADE !
Und SESAM öffnet sich
die t a u s e n d u n d z w e i te NACHT !!!
TRÄUMEREI
Der Weiher, die Nebel,
das kleine Boot, das in die Wolken sinkt,
der süße Laut,der Schnabel,
der alles in sich trinkt.
Die Birken, der Hollunder,
das sanfte Licht, das durch die Blätter bricht,
der schmale Steg,der Bruder,
bis dieses Bild erlischt.
ABEND AM MEER
Langsam taucht die Sonne
ihr Antlitz in das Meer,
weithin scheint ein großer Frieden,
ein Schiff zieht stolz daher.
Zitternd neigt sich die Welle,
am Ufer steigt ein Baum,
Möwen gleiten golden
durch den weiten, lichterfüllten Raum.
DÖBLINER ABEND
Am Abend,
wenn der Tag verblaut,
tritt ein Fernes in die Welt
und umranket sanft das Herz.
Stillächelndes Antlitz.
Das Marienbild.
Sterne und Kerzen
entzünden sich.
BEUNRUHIGENDES AUS DER PFLANZENUNDTIERWELT
DIE ROSE :
Meine Wahrheit hat Dornen.
Deshalb wage keiner mich zu pflücken.
An meinem Dolch zittert die Perle,
und mein Duft besiegelt den Traum.
DER BAUM :
Kommt zu mir, ihr Einsamen !
Ich beuge mich über eure Last
und sänftige euch das grausame Licht.
Doch kommt im Winter nicht!
DAS VEILCHEN :
Immer ist der Himmel grau
über mir und auf deinem Weg.
So traurig wächst mein Blatt.
Ich schlage dir das Auge blau !
DER WALD :
Durchforsche mich ! Verirre dich !
Ich erfülle alle deine Träume,
doch verrat' ich schon, mein Freund,
auch im Wald findest du nur Bäume !
DIE SEEROSE :
Was schaust du in den blinden Teich ?
Suchst du den Grund ? Suchst du dein Bild ?
Sieh mich an ! Nur ich mach' dich reich !
Und wenn der Nebel kommt, ist dein Herz gestillt.
DER ADLER :
O Tiere, Brüder, meine Kameraden,
wir wollen keine Tränen mehr vergießen !
Es ist höchste Zeit, den König zu begraben
und die Augen und Ohren zu schließen !
GESANG II
Das sanfte, liebe Licht erlischt
hinüber zu anderen Weisen,
trunkenen Liedes, voll des ewigen Glücks
leuchtender Sterne, o aller Licht !
Jedoch ein Goldenes scheint zu bleiben
in dem blonden Haar des Knaben,
der zu Amseln wie zu Engeln spricht,
versunken in Bäumen,
die des Lichtes träumen,
dunkel und klar.
Dann färbt ein Rot den Himmel tot,
Blut im Haar des Kindes,
Tod im Haar des Kindes,
alte Weiber greinen.
Doch sieh, es kommt der Abendstern,
und sprachlos wird es weichen !
GESANG III
Der Hirten Ruf verhallt
auf den verblauten Höhn,
ein Reh springt durch den Wald,
die Sterne wissen's schon.
Am Berge hin sanken die Greise,
ihr schütteres Haar zu der Asche gelegt,
nun ist es tiefe Nacht
und nichts mehr, das sich regt.
Nur noch ein Nachen steigt
aus der leeren Hand der Fee
und webt seinen Silberglanz
in diesen schlummernden See.
DIE TOTE
Wer ist das nackte Weib, das vor mir tänzelt,
als kämpfte es mit einer Feuersbrunst,
gleich einer Ketzerin, die das Volk hänselt
und schließlich auf dem Pranger enden muß.
Sie sieht mich an mit irren Augen
und ihre bleiche Hand streckt sie hilfflehend aus,
der Pöbel reißt und zerrt an ihren aufgelösten Haaren
und kreischt dem buckligen Henker Applaus.
Willst du, daß ich dich aus deiner Not errette,
oder war ich es, der dich verriet und fangen ließ ?
Bist du vielleicht, daß ich einen Vers ergatte
oder gar ein schlimmes Luftbild im Verließ ?
Du antwortest nicht, lächelst, bist entzückt
und winkst, als wär's ein letzter Gruß
und steigst, du Sterbensmatte,in dein Reich zurück,
aus dem dein letzter Atem stieß.
Der Fremde
Es ist ein Reh, das aus den Wäldern tritt,
ganz überhäuft von Blütenstaub.
Und geht dir nach, o Fremder !
Es ist ein Vogel, der auf seinem zerstörten Nest
so süße Lieder zum Erklingen bringt.
Zum Heile dir, o Fremder !
Es ist ein Hund, der in der Straße bellt,
da seine Hütte wie verzaubert ward.
So strahlend ist der Fremde !
Es ist ein Haus, das sich golden aufbäumt,
die Tür aufsprengt zu Brot und Wein.
Hier trete ein, o Fremder !
Es ist eine Glocke, die der Ferne entsteigt
und schwillt und will,
daß immer diese Stunde sei.
Du aber sei, o Fremder !
Es ist die Stunde, da er erscheint,
bald unsichtbar und dunkel,
dann bald glühend und rein
und reißt am Ende seines niegewesenen Weges
die ganze Schöpfung in sein riesenhaftes Herz hinein.
DIE NYX
In ihren wildverzweigten Haaren hängen Sterne,
als wäre Schnee in sie gefallen,
und wenn sie weissagt, fallen Sterne
auf die Erde in den dunklen Rachen.
Ihre Augen sanft und hell und klar
sind wie zwei singende Monde,
die ihr Spiegelbild am Himmel fanden
und nun einander trinken,
zwei Schwanenmonde.
Tollkirschblütenweiße Wangen prangen
über ihren reifen, früchteschweren Lippen,
und wenn sie leise betet,
huschen kleine, gelbe Flammen
gerade über diese ungeküßten Lippen !
DIE NATUR
Die Erde bebt unheimlich.
Gräser zittern, Berge splittern,
Blumen neigen sich im unstillbaren Drang zur Sonnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnnne!
Einsamen Wanderer am Fluß wird bang.
Fische küssen Wasser, Wasser küssen Steine,
er zertritt sie mit seinem Beine,
schon am anderen Ufer wird ihm verziehn.
Immer lauter, Schauder im Zauber,
in den hohen Lüften flüstert ein Rufer,
die Winde haben es in sein Ohr geschrien:
"Alles, was lebt, ist hhhhhhhhhhhhhhhhheilig !!!"
UHRIG
Alles schweigt.
Still steht die Zeit.
Nur der goldene Zeiger steigt
in langsamer Gelassenheit
in die überschwellende Zeitlosigkeit
seit Uruhrewigkeit.
WEHIG
Wie weiß ist der Winter ?,
fragte erstaunt der Schneekristall.
So viel du weißt, so weiß ist auch der Winter,
antwortete ihm noch viel erstaunter das winterliche Weltenall.
WINTERLICH
Die Bäume stehen starr und kalt.
Weiße Vögel legten ihr Gefieder
auf den einsam stummen Wald.
Gefroren ist der See, das Land.
O Bruder, kalte Küsse schneien wieder
durch den Schleier in die Hand !
DIESER TAG
Wie dieser Tag zerrinnt in meinen Händen,
so wie der Mond nun tritt in mein Gesicht,
die Welle bebt, die Welle schweigt,
den Mond jedoch erreicht sie nicht.
Wohin dann zieht dieser endlose Strom ?
Wohl treibt es ihn in die Nacht hinaus,
ach, sternenfunkelnd um den Lampion
den Schlangenpfad durch daseinsloses Herz.
Was schwer war, hat nun kein Gewicht,
alles fließt verzaubert mit ihm fort,
wie dies' Gedicht.
Wie dieser Tag zerrinnt in meinen Händen
und will nicht, noch nirgendwo enden.
ROMANTIK
Ein Stern entflammt in tiefster Nacht,
verhüllt in sich, in seiner Pracht,
sein Augen glänzt, im Spiegel perlt der Tau,
das süße Rosenbild, o heilige Frau !
Ein Stern entflammt in tiefster Nacht,
verklärt in sich, in seiner Pracht,
sein Auge glänzt, im Spiegel rollt der Tau,
das süße Blumenbild blüht auf, o unsere Frau !
Ein Stern erlischt in tiefster Nacht,
verhüllt in sich die süße Fracht,
sein Auge bricht, im Spiegel sinkt der Tau,
das Rosenblumenbild entglitt, o meine süße Frau !
GEVIERTEILTER KÜNSTLER
MUSIKER :
Frühlingswind. Rauschen Bäche.
Ströme in die Sehnsucht hinaus.
Trommeln, Kobra, Tanz der Elefanten.
Grünende, blühende Fingerspitzen.
Krokusse schmücken seine grauweiße Stirn.
MALER :
Sommerfrische.
Lieblich und rund wie ein Sonnentag scheint sein Gesicht.
Nüchtern bewahrt er den Kern um die heilige Zitrone.
Sonne und Mond sind ihm ein Gestirn.
DICHTER :
Herbstgesang. Goldener Blätter Widerhall.
Kühles in der Harfe wie hoch oben im Dom.
Frucht, die reif in seinem Munde auf den Herzgrund fällt.
O Schneewittchen !
Verwaist blickt er den Vögeln nach.
BILDHAUER :
Winterberg. Eisiger Marmor,
an dem sich verjüngt jeder verfallene Stern.
O des Steinbruchs verwegene Leere !
Schneemann, von Myriaden Sonnen beschaut.
NACH AUSSEN
Dieser Schritt nach außen,
wie ein Wild, das aus den Wäldern tritt
in das Freie, Ungeschützte,
und nun wachsam um sich blickt.
Jäher Blütenregen überschüttet, schmücket und umduftet es,
ein Schritt noch
leicht und gemein geht es dann nach außen,
und das Außen geht in es hinein !
NACH INNEN
Du zielst Pfeile irgendwohin.
Nichts bringt deine Kraft zurück.
Du ziehst Kreise irgendworum. Alles tritt aus deinem Blick.
Deinen Unmut wirfst du in das Meer, und das Meer fließt in sich zurück.
Dann, in dem Blätterfall jäher Neige, mit einemmal erstarrt dein Fuß zur Säule.
Warmer Strom aus innen sprengt dich in die Höhe wie Fontänen sind.
Geschlossen ist der Sinn.
Dein letzter Pfeil mitten in das Schwarze trifft und zittert vor Freude !
INDIEN
Du Land des Tigers und des weißen Elefanten
und vieler bunter kreischender Vögel,
du Herz und Schoß der Erde,
woraus alle Sagen und Märchen entspringen
und münden in den großen Ozean.
Frische, köstliche Quellen, Ströme voll des Lebens
und Brunnen tief und klar
ergießen sich aus dir
und erquicken die Dürstenden und sättigen die Nimmersatten
in ihren unerschöpflichen Weisheiten.
Du Land dunkeler, sonnengebräunter Menschen,
die Augen haben wie Diamanten
und Münder wie der Kelch der Blumen.
O, und wer weiß es schon,
dort im üppigsten Dschungel,
wo die Nacht ist so hell wie der Tag,
wo der Tiger plötzlich blitzt und brüllt,
und der Elefant die Einsamkeit erleuchtet,
wird der Mensch nicht von der Schlange,
sondern die Schlange vom Menschen verführt !
DSCHUNGELLIED
So üppig wächst hier der Wald, als wäre die Erde Fleisch geworden !
So volle tolle Blüten hier gedeihen und verderben !
So viele wilde Tiere hier, die töten und gebären !
So viele dicke Säfte hier und so viel Pracht im Sterben !
So üppig wächst hier der Wald,
als wäre die Erde Fleisch geworden,
unterbrochen von dunklen Vogelschreien,
die die verwilderte Seele durchbohren !
DER BAUM IM GARTEN
In meinem Garten steht ein Baum.
Im Frühling trägt er weiße Blätter, die mich verzücken.
Im Sommer trägt er helle Früchte, die mich beglücken.
Im Herbst trägt er goldene Blätter, die mich entrücken.
Und im Winter, wenn ich allein,
klopft er gegen meine Fenster.
O Garten in meinem Baum !
DER GOLDBESTÄUBTE SCHMETTERLING
Blumen sah ich viele
und einen goldbestäubten Schmetterling.
Über den wogenden Düften eine leichte Flamme.
DER WEG
Was soll ich tun ?
Er ruft :
Vergeh !
NÄCHTIG
Ich stand auf der schmalen Brücke
über dem schwarzen Strom.
Die Fische dröhnten in seinem Wasser !
MITTERNACHT
Wie diese Stunde sich entzückt !
Sterne fallen
und übern Monde gehen Geister.
WEISHEIT
Verlasse dein Haus
und deinen Garten.
Kehre ein in den Palast !
RÄUME
Plötzlich durch die bedrängte Mitte
stürzt ein Lichtstrahl goldener Schnitte
ihre Hallen voll.
DIE BLUME
Sieh,
wie sie blüht
und ihr Hälschen reckt !
STILLE
Still!
Der silbergraue See.
Die höchste Offenbarung.
EDEN
Schauder
im Weinstock.
Die rankende Rebe
HALL
Erwache !
ruft der Specht
im erblühenden Wald.
ERINNERUNG
Hier saß ich am Ufer
unter jenem Baum.
Ohne Traum.
HERBST
Du bist's zufrieden, wunschlos fast
Ein vergoldetes Blatt
hat sich auf dein Herz gelegt !
DAS FERNE DU
Denkst du an mich
brennt plötzlich
meine Lampe heller !
PETERCHENS SONNENFAHRT
Als Peterchen einschlief, träumte ihm,
daß sein Bett,auf dem er lag, zu einer Muschel wurde.
Und die Muschel trug ihn zu einer allmächtigen Gottheit hinaus,
zum Meer !
Dunkeldrückend war der Himmel, ùnd alle Tränen,
die er weinte, waren Perlen.
Und alle Perlen fielen in das wogende Meer.
Ein Blitz und ein gewaltiger Donner
erschütterten die Erde (und nicht nur die Erde).
Weiße, ständig im Kreise wirbelnde Pferde
rissen über ihn ein Loch in den finsteren Himmel,
und ihre federbeschmückten,mit schrecklichem Geheul niederstoßenden Reiter
schmolzen den goldenen Strand,
auf dem er in der Riesenmuschel eingebettet lag,
zu einer goldenen Leiter.
Mit dieser Leiter erklomm er den Mond.
Seltsam ermutigt betrat er die leuchtenden Haine des Mondes
und Frau Luna, die so wundersam
die gleichen, vertraulichen Züge seiner verstorbenen Mutter trug,
schenkte ihm ihren schwerelosen Kahn, damit er das endlose Weltenmeer durchfahren konnte
und legte einen Silberreif um seine Stirn.
Ihre Schwester Venus küßte ihn auf seine Lippen,
bis sie erblühten und sagte ihm, daß sie die Ader des Weltalls wäre.
Der gehörnte Merkur schenkte ihm einen elfenbeinernen, reichverzierten Gürtel,
der ihm die rechte Bahn erlesen sollte.
Mars schenkte ihm sein flammendes Schwert
und Saturn einen ehernen Ring.
Uranus schickte ihm Segel und Wind.
Neptun blies zum Aufbruch an.
Jupiter sandte ihm zum Geleit einen riesigen Adler.
Tausend Meere durchfuhr er.
Bis eines Morgens der Horizont vor seinen Augen erblühte,
seinen Kahn derart mit Rosen und Lotosblumen beschwerte,
daß er in den funkelnden Fluten versank.
Drei Engel schlossen die Muschel.
Peterchen erwachte als eine unermeßliche Sonne goldschweißüberströmt !
AUS DEM ALPTRAUMBUCH
1.
Wieder hatte der Tiger eine Ziege gerissen.
Große Unruhe im Dorf.
Bald würden es Menschen sein.
Manhru, der als der beste Jäger galt,
wurde von den Ältesten auserwählt,
den Tiger zu töten.
Wie ein Pfeil glitt er durch den dichten Dschungelwald
hinter der roten Spur des Raubtiers.
Und kehrte nie mehr zurück.
Mitten in das Herz des Tigers hatte er sich gesenkt!
2.
Die Sintflut kommt !
Schon sehe ich die unheilvollen Wolken sich zusammenballen,
die vierzig Tage Feuerregen niederschütten werden.
Die ungeheure Woge, die sich über unsere Häupter hinwegstürzt
mit dem ganzen Unrat der Weltgeschichte und unsere steifen Füße trocken läßt !
3.
O Nacht! Wer kennt deinen Zauber, wer kennt deine Kraft ?
Vollkommen und still und klar bist du der Lohn der Meuchelmörder !
4.
Die Mondgöttin sprach :
"In einer milchblauen Nacht bin ich für euch auferstanden
und erblühte zur grünen Au für eure Liebe.
Meine unzähligen Kühe ließ ich auf ihr weiden,
um euch mit Honig,Milch und Nektar zu erquicken,
und jegliche rauhe Zunge leckte euch rein vom irdischen Staub.
Meine Wälder boten euch Schutz und Unterkunft.
Mit ihrem edlen Holz bautet ihr die königlichen Schiffe,
um zu meinem Gemahl, der euer Vater ist, zu segeln.
Ich versilberte eure Fahnen und milderte alle Stürme.
Wir schieden für immer in seligem Frieden.
Nun aber sind meine Nachen leer,
und ihr überhört meine gefährlichen Träume.
Einsam hänge ich meine Orangen nur noch über die blauen Pyramiden,
und meine erlöschende Sichel versiegelt den Raum.
5.
Die Jahrhunderte liegen da wie ausgehöhlte Schnecken.
Hie und da vermeinen wir in ihnen noch einen berauschenden Ton zu entdecken,
und manchmal erschreckt uns eine wunderbare Gladiole,
die nirgends erblühen will.
Und ich denke an die maßlosen Pyramiden
und an das himmlische Ohrgehänge der geheimnisvollen Isis.
Und die verwesenden Pharaonen.
Und die Kronen vergraben wie das Licht im Diamant.
Und die helle Schar von vertriebenen Engeln.
Und die Kerker voller Sonnen,
alles, was einmal im Herzen entflammte und ungerühmt verging.
Und du, der an den verwunschenen Schätzen vorbeistrichst
wie an blutertrunkenen Brunnen
und die unheilbaren Wunden schlossest wie unerschlossene Blüten und Blumen,
mußtest weiterblühen und verbluten.
6.
Die Sonne sagte es Merkur, dem Goldeimer, dem Regenbogenmacher, dem Gelehrten, dem Weisheitsspendenden,
und Merkur sagte es Jupiter, der Orgel, dem Geisterfürst, dem Eingeweihten, dem Beflügelnden,
und Jupiter sagte es Neptun, dem Muschelhorn, dem Globetrotter, dem Ungeheuren, dem Dröhnenden,
und Neptun sagte es Uranus, der Trommel, der Geheimniskrämerien, der Gescheiten, der Weissagenden,
und Uranus sagte es Mars, dem Krieger, dem Muskelmann, dem Gehörnten, dem Streitenden,
und Mars sagte es Saturn, dem Einsiedler, dem Schweigenden, dem Beschwerenden, dem Befreienden,
und Saturn sagte es Venus, dem Himmelschlüssel, der Hebamme, der Besternten, der Befruchtenden,
und Venus sagte es Pluto, dem Totenschädel, dem Höllenfürsten, dem Feuerspeienden, dem Mysterienreichen,
und Pluto sagte es dem Mond, dem Silberschrein, der Kuhhirtin, der Träumenden, der Priesterin der Nacht,
und die Mondgöttin sagte es mir, dem Lampion, dem Alpträumer, dem Magier, dem Läutenden,
und ich läute es dir :
"Ehre den König, den Allvater, die purpurne Wonne, ehre wie oben, so unten die Sonne !"
7.
Horch !
Allüberall der Glocke Ton !
Schmilzst dir das Herz in tönendes Erz.
Von Berg zu Berg, von Stern zu Stern,
dringt dieser leuchtende Ton wie ein goldener Strom !
O frohlockende Glocke ! Om !
Durchdringe mein Herz ! Om !
Mache mich golden ! Om !
Verwandle in Freude allen Schmerz ! Om!
WEST UND OST
Kristallene Woge, zerschellend am Strand.
Wogender Kristall, z e r k ö r n e n d zu Sand.
TRAKL
Du nächtliche Seele gefallener Engel,
Wald im Wald, aufseufzend im Kristall.
GROßSTADT
Blaue Gesichter sind in die Pflaster getreten
und lächeln weiter noch fort.
FROHSINN
Singend tanzt er die Straße hinunter,
und die Blüten winken ihm zu.
DIE SCHLAFENDE
Die Lider hat sie geschlossen, den Mund halb geöffnet,
die Flügel entfaltet und die Hände zusammengelegt.
DIE WENDE
Mein Herz ist eine verwandelte Rose.
Die Blüte welkt, und der Dorn blüht auf.
ZWISCHENSPIEL
Was liegt wohl hinter den Sternen ? , fragte das Kind.
Ein Kind, das dir die Sterne zeigt, antwortete der Greis.
DER STACHEL IM HERZEN
Weh, o weh, es sticht im Herzen !
Und glänzt wie Elfenbein.
METAMORPHOSE
Viele Tage über blieb der Himmel grau.
Die weißen Vögel wurden bunt.
ENDE
Nun sind die Bäume welk
und dieses Blatt, das fiel,
war nicht mehr als nur
ein verträumtes Spiel.
HESPERIDEN DER BERG
Sein Fuß ist tannengrün, umrauscht von Silberquellen.
Ganz oben wirft er Schnee in den heitern' Himmel.
Die kahle Mitte , was geht's ihn an,
wenn Haupt und Fuß schon ewig sind ?
OSTERN
Wie nah ist schon das goldene Kind !
Die Mädchen strecken ihre Seidenfinger.
Das neue, grüne Jahr beginnt,
und aus den Bäumen brechen weiße, rosa, rote Lichter!
NOCTURNE
Nun schweigt der Silberwald.
Metallen glänzt der See.
Der sanfte Ruf der Nacht verhallt.
Bald schweigt der See und glänzt der Wald.
AURORA
Leicht lösen sich die Morgennebel.
So vielverheißend rollt der Tag hinauf.
Die Feen entfalten ihre halberfrorenen Flügel,
und zitternd, furchtbar glitzernd glüht die Sonne auf !
VOLLMOND
Es schlägt die Nacht in ihre Harmonien.
Im seidenen Glanz zerrinnt der Silberbach.
Der Mond vergilbt so sanft in Sinfonien.
Die Menschen werden plötzlich wach !
DIE BLAUE BLUME
Schlief denn die blaue Blume nicht in jener Nacht,
in sich gekehrt, von ihrem eigenen Duft gerührt ?
Am Morgen jedoch war sie erwacht und schenkte sich der Luft
und dem Geheimnis, das uns ewiglich berührt.
ATMAN
Atman, große Seele, unsere Herzensknospe schließe kräftig auf !
Gib, daß wir im Wähnen nicht verzögern deinen Sternenlauf.
Sieh, es wächst der Tag, o Rosenwelt steig auf !
Wehe, mächt'ge Menschenseele, blühet das All dir unermeßlich auf !
DER KERN
Ruhst in mir dunkler Kern
bald ein Falter, bald ein Stern.
Monde kommen, Sonnen gehn',
stark bist du geworden, um zu überstehn'.
Glaubte mich verloren, bin nun heiter,
erklimme deine goldnen Stufen immer steiler.
Oben angekommen, Gipfel kann ich schauen
und die Strahlenwesen, die allein nur dir vertrauen.
Jedes lächelt,
jedes scheint zu singen,
süße Melodein,
die mich durchdringen.
Neu werd' ich geboren.
Strahlend, strömend steige ich.
Du beginnst mich zu erfassen
und sieh, auch ich erfasse dich.
Süß schmeckst Du,
schenkst mir unermeßlich Wonne,
brichst Du nur noch stärker auf
eine MORGENSONNE !
H
Herbstlich sinkt der Abend.
Es weichendie dunklen Wolken den Gottesstrahlen
und makellos, vom Winde gereinigt,
erscheint der Diamant, das Firmament.
Golden, golden verströmt sich die Sonne
und haucht dort noch einmal alles Leben ein,
wo es schon gewillt war zu sterben
wie das welke Blatt oder der hohe, weise Baum.
Paläste entstehen voll reiner Juwelen.
Überall plötzlich wird es greifbar, fast häuslich,
das Gold und der überirdische Glanz.
Still nun, verwandelt, unbegreiflich,
von einem unaussprechlichen Geheimnis berührt,
Steht inmitten von Leben und Tod
der Eine
e r l e u c h t e t.
ANHANG
CORONA oder Tod und Auferstehung
Ich ersticke.
Atmen kann ich schon lange nicht mehr.
Meine Flügel sind verblassen
und heben sich so schwer
Wie Engel manchmal fallen
und versinken im abgrundtiefen toten Meer.
so ertrinke ich,
und atmen kann ich schon lange nicht mehr
Kein Duft mehr fließt durch meine Adern,
keine Luft mehr hebt mich über mich hinaus.
Ich glaube,
Ich muß sterben,
Schon geht mein Lichtlein aus,
Da leuchtet plötzlich ein großer Stern
Und geht in meiner Seele blühend auf !
Leicht wie eine weiße, jüngste Feder
Gehn’ meine Flügel immer wieder auf,
Unbeschwerte Atemzüge füllen sie
Mit Feuer, Beben und Entzücken
An allen Enden wieder aus !
Gott Ist Atem,
Gott ist Leben
Und der Mensch sein Hauch.
Atmet !
Lebet !
Und ihr Toten auch.
DER TAG
Ich feire jeden neuen Tag,
auch bet' ich lange in der Nacht,
bis ein neuer Morgen dämmernd kommt
und der Tag in meinen Augen erwacht.
Ich tanz' in seinen unzähligen Sekunden
im weiten Schwung und Biegsamkeit
und verströme mich in seinen langen Stunden
in schwellender Welle und Heiterkeit.
Auch am goldenen Abend noch,
wenn sein Licht in meinem Heim erlischt,
bereite ich ihm schnell ein Freudenfeuer
und reime ihm dankbar ein Gedicht.
Und in der tiefen sel'gen Nacht,
wenn er scheinbar schlafen geht,
bewundre ich noch seine stille Pracht,
wenn sein Auge sich nach innen dreht.
Der Schmerz und seine Lösung
Ich habe Angst, ein Reh zu sein
Und liefe vor des Jägers Gewehr,
Der schösse flugs in mein Herz hinein,
Und ich wäre auf dieser Welt nicht mehr.
Ich habe Angst, ein Jäger zu sein
Und schösse auf Wild und Reh,
Als schösse ich in mich selbst hinein,
In mein uraltes, tiefstes Weh.
Ich habe Angst, ein Gewehr zu sein
Und schösse auf Jäger oder Reh,
Drum brach ich es in der Mitte entzwei
Und warf die letzte Kugel in den See !
Auf Messers Schneide tanzt wie eine Feder der weiße Elefant.
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